Anonymus – Shakespeare oder nicht Shakespeare?

Es ist alles nur geklaut? – Bei manchem Shakespeare-Liebhaber mag der am Donnerstag bei uns in den Kinos startende, neue Film von Roland Emmerich ein bisschen klingen wie blanker Hohn, baut seine Geschichte doch auf Gerüchten und historisch offenen Möglichkeiten gleichermaßen auf, um Shakespeare seiner Kunst zu berauben. Hintergrund für den Film ist aber viel mehr der seit Jahren andauernde Streit zwischen Stratfordianern und Oxfordianern, zweier Gruppen, die über den wahren Shakespeare seit eh und je in einer Kluft der Argumente liegen.

Während es für die Stratfordianer völlig klar ist, dass es nur einen wahren Shakespeare gegeben hat und dieser seine Texte selbst geschrieben hat, stehen die Oxfordianer auf dem Standpunkt, dass Edward de Vere, der 17. Earl of Oxford und gleichzeitig der eigentliche Urheber jener Werke ist, die heutzutage Shakespeares Handschrift tragen. Der Film zeigt uns eindrucksvoll, wie es dann doch dazu kam, dass Shakespeare seine Unterschrift unter de Veres Werke setzen konnte. Einige der Thesen hierzu lassen sich zum Beispiel auch in dem bereits 1920 von J. T. Looney veröffentlichten Buch „Shakespeare identified“ nachlesen, das nicht zuletzt ebenfalls dazu beitrug, diese Kluft zwischen den Anhängern der beiden Parteien deutlich zu vergrößern und dessen Thesen auch heute Anlass für heftige Diskussionen sind.

Genau das macht diesen Film aber so interessant für uns Alternate Reality Game Fans. Wir lieben es schließlich, Verschwörungstheorien gemeinsam auf den Grund gehen zu können. Es hätte also wunderbar gepasst, um die nebulösen Wirklichkeit der Person William Shakespeares herum ein Alternate Reality Game zu erstellen und damit gleichzeitig auch den Film zu bewerben. Leider gibt es jedoch noch kein ARG zu diesem Film.

Hier kannst du dir selbst einen Eindruck von dem Film machen:

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Auf der diesjährigen StoryDrive Konferenz der Frankfurter Buchmesse hatten wir die Möglichkeit, an einem Pre-Screening des Films teilzunehmen. Ohne mich vorher über den Film in irgend einer Art und Weise informiert zu haben, ließ ich mich auf dieses Pre-Screening ein und schon nach den ersten Szenen setzten bei mir die ARG-Gedanken ein. Emmerich entführt uns über drei verschiedene Zeitebenen in die Geschichte und das Leben des Earls of Oxford. Diesem wird jedoch, obwohl er das Theater liebt, jegliche öffentliche künstlerische Entfaltung untersagt. Er nimmt deshalb heimlich Kontakt zu einem Autoren auf, der die Werke unter seinem Namen veröffentlichen soll. Ihm erscheint diese Sache allerdings etwas heikel obgleich der Earl ihn dafür gut bezahlt. Als dann auch noch der Schauspieler Shakespeare davon Wind bekommt, gehen die beiden einen Deal ein und letzterer veröffentlicht die Werke unter seinem Namen.

Das was hier zusammengefasst in wenigen Zeilen erzählt wird, hat Drehbuchautor John Orloff viel weiter ausgeschmückt und mit ihm das elisabethanische England für uns wieder zum Leben erweckt. Die Bürger dieser Zeit haben nicht viel zu lachen, wenn auch sie sich von der Unterhaltung durch die Theater angezogen fühlen. Hier können sie sich in der Welt verlieren, die für sie auf der Bühne dargestellt wird, weswegen es häufig auch zu einer art interaktivem Austausch der Zuschauer mit den Schauspielern auf der Bühne kommt.

Die Einblicke in das elisabethanische England werden dabei zusätzlich durch einige schön animierte Kamerafahrten angereichert. So hat man als Zuschauer die Möglichkeit, ähnlich wie der Pöbel jener Zeit bei einer Aufführung im Theater, sich ganz in dem Film zu verlieren und ihn womöglich im Kopf noch weiterzuspinnen.

Nach dem Pre-Screening gab es dann das, was der Film sicher bald noch viel stärker auslösen wird, wenn er erst einmal in den Kinos angelaufen ist: Eine Diskussion. Genauer gesagt war es eine Podiumsdiskussion, die von Hellmuth Karasek moderiert wurde. Als weitere Gäste der unterhaltsamen Runde fanden sich natürlich der Regisseur des Films (Roland Emmerich), der Präsident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft (Prof. Dr. Tobias Döring), der Autor des Buches „Der Mann, der Shakespeare erfand (Dr. Kurt Kreiler) sowie einer der bekanntesten Shakespeare-Übersetzer (Frank Günther) auf der Bühne ein.

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Einige fotographische Einblicke in die Podiumsdiskussion

 

Als Einstieg in die Diskussion verlangte Karasek von allen zunächst einmal ein kurzes Statement zum Film abzugeben. Seltsamerweise wurde von einigen auf der Bühne bemängelt, dass sie sich in den verschiedenen Zeitebenen des Filmes nicht zurechtfanden. Dies kann ich nicht bestätigen, da mir die Zeitebenen vollkommen logisch und gut eingesetzt sowie absolut nachvollziehbar erschienen. Direkt nach dieser ersten Statement-Runde nahm die Diskussion dann jedoch an Fahrt auf und die beiden Fronten – wir erinnern uns: Stratfordianer und Oxfordianer – verhärteten sich auf der Bühne zu einer Mauer des Schweigens, wie sich Hellmuth Karasek zwischenzeitlich ausdrückte. Zu einem eindeutigen Ergebnis, ob Shakespeare nun Urheber ist oder nicht, kam die Gruppe auf dem Podium allerdings nicht. Das Gespräch musste nach den dafür vorgesehenen 45 Minuten beendet werden.

Natürlich muss ich an dieser Stelle meinen einführenden Satz „Es ist alles nur geklaut?“ noch revidieren, denn „richtiges Klauen“ kann man Shakespeare trotz diverser Thesen gar nicht vorwerfen. Er hat allenfalls seinen Namen für etwas gegeben, dass ihn zu einem der berühmtesten Dichter und Autoren dieser Welt machte. Aber macht Euch einfach selbst ein Bild davon und geht ruhig mal wieder ins Kino. Es lohnt sich bei diesem Film wirklich. Und außerdem bin ich auf eure Meinung dazu gespannt.

Katharina war mit Doro und mir zusammen in dem Pre-Screening. Auch sie hat ihre Gedanken dazu veröffentlicht. Ihr könnt sie hier frisch gebloggt nachlesen.